Miss Sunshine greift nach den Sternen
Vanessa Kasper ist professionelle Skirennfahrerin. Die Engadinerin hat ehrgeizige Ziele, die sie zum Abschluss der letzten Saison mit dem Gewinn von Weltcuppunkten untermauerte. Mit Skiservice verbindet sie eine langjährige Partnerschaft und die Liebe zum Engadin.
«In der Skischule war ich morgens jeweils die Erste und abends die Letzte», erinnert sich Vanessa Kasper an ihre Kinderjahre im Engadin. «Ich habe es geliebt – und das tue ich heute noch!» Die Leidenschaft für das Skifahren ist der 25-jährigen Celerinerin anzusehen. Ihre Augen leuchten, wenn sie über ihre Tage auf dem Schnee erzählt. Vanessa hat ihre Passion zum Beruf gemacht: Sie ist professionelle Skirennfahrerin im B-Kader von Swiss Ski.
Zum Ende der letzten Saison liess Vanessa aufhorchen: Beim Riesenslalom-Weltcup im slowakischen Jasna belegte sie für alle überraschend den 21. Rang und gewann damit ihre ersten Weltcuppunkte nach einer schweren Verletzung. Beim Gedanken an dieses Rennen strahlt sie noch heute: «Das war der Wahnsinn! Nur weil ein Startplatz frei war, konnte ich überhaupt nachrücken. Ich hatte keinen Druck, wollte einfach meine beste Fahrweise zeigen und bin prompt in den zweiten Lauf gekommen.» Und vielsagend lacht sie: «Wie schade, dass der Weltcup schon zu Ende war!» Die positive Ausstrahlung von Vanessa ist ansteckend. Wer sich mir ihr unterhält, kann sich ihr nicht entziehen. ‹Miss Sunshine› wird sie vom Fotografen spontan getauft: «Ich bin eigentlich immer so», sagt sie, darauf angesprochen. «Ausser, wenn ich hungrig bin. Dann kann meine Laune schon mal drehen...»
Nicht alles im Leben der Vanessa Kasper ist eitel Sonnenschein. Anfang 2018 stürzte sie beim Weltcup in Lenzerheide schwer. «Im Video sieht der Sturz brutal aus, ich selbst habe ihn gar nicht so empfunden. Es war ein Innenskifehler, ich rutschte weg und hatte das Pech, dass die Kante noch einmal gegriffen hat.» Die messerscharfe Kante griff so brachial, dass Vanessa gleich beide Knochen des Unterschenkels brach. Die Saison war vorbei, das wusste sie sofort. Aufgeben war für Vanessa keine Option: «Ich ging hochmotiviert an die Rehabilitation; es konnte nicht schnell genug gehen. Meine Familie und meine Freunde haben mich voll unterstützt.».
Die Familie ist Vanessa enorm wichtig. Ihre Eltern sind beide Sportlehrer, der Vater war einst Nationaltrainer der Schweizer Langläufer. Beide können sich in das Wesen einer Athletin hineinversetzen. «In diesem Sinn hatte die Verletzung sogar etwas Positives: Ich konnte wieder einmal viel Zeit mit ihnen verbringen.» Schon wieder lacht Vanessa – um aber gleich wieder ernst zu werden. «Im Training zur nächsten Saison merkte ich dann bald, dass etwas nicht stimmte. Mein Wadenbein wuchs nicht richtig zusammen.» Die Schmerzen waren so stark, dass Vanessa sich einer zweiten Operation unterziehen musste. «Das war ein sehr harter Schlag. Im Alltag fühlte ich mich gesund und doch verpasste ich gleich noch eine zweite Saison.»
Vanessa wäre nicht Vanessa, hätte sie sich nicht sofort wieder den positiven Dingen zugewandt. «Skifahren durfte ich zwar nicht, aber Langlaufen hatten mir die Ärzte nicht verboten,» erinnert sie sich. Zusammen mit den Eltern verbrachte sie die Tage dann auf den Engadiner Loipen – und entwickelte auch dort wieder Ehrgeiz: «Ich mag das Tempo auf den vereisten Pisten zwar lieber als die Anstrengung auf der Loipe, aber ich bin eine ganz gute Langläuferin.» Zum Ende der Saison lief sie innerhalb einer Woche den Engadin Frauenlauf, den Engadin Nachtlauf und den Engadin Skimarathon. «Woher ich die Ausdauer nahm, weiss ich heute noch nicht», schmunzelt sie.
Die Verletzung von 2018 ist Geschichte, ein neuer Winter steht an. Vanessa hat hohe Ziele und würde am liebsten dort anknüpfen, wo sie im letzten Frühling aufhörte: Im Riesenslalom-Weltcup. Der Saisonauftakt in Sölden lief nicht wie gewünscht; Vanessa erreichte die Top 30 nicht. Ob sie weiter im Weltcup eingesetzt wird, hängt von ihren Rennresultaten ab. Vanessa bleibt realistisch: «Zuerst muss ich mich im Europacup zur Spitze hocharbeiten und konstant gute Resultate bringen. Dann liegt mehr drin.»
Zwischen den Trainingseinheiten auf Schnee und im Kraftraum absolviert Vanessa ein Fernstudium. Erstes Ziel: Der Bachelor in Marketing. Daneben trifft man Vanessa vor allem in der freien Natur; beim Laufen in den Wäldern, beim Reiten oder als Fotografin. «Es gibt keine Gegend in der Welt, in der ich lieber trainiere als im Engadin. Dieses Tal mit seinen Bergen und seinen Seen hat etwas Magisches: Es ist so wandelbar und kann sich in unendlich viele Gewänder hüllen.» Kein Wunder, verbringt Vanessa fast jede freie Minute beim Training. «Manchmal muss ich mich fast zwingen, Pausen zu machen», gibt sie zu. «Ich muss mich immer bewegen – gerade bei schönem Wetter und Sonne bin ich kaum zu bremsen.» Gut, dass es am Zürichsee, wo sie mit Ihrem Partner lebt, auch Tage mit Wolken oder Nebel gibt. «Dann kann ich auch einmal nichts tun und mich verwöhnen lassen.»
«Ich will mich jeden Tag weiterentwickeln», sagt sie auf ihre konkreten Saisonziele angesprochen. Professionelles Skifahren ist ein knallharter Job, der Erfolg hängt manchmal von winzigen Details ab und blitzschnell kann alles vorbei sein, das ist sich Vanessa nur zu bewusst. Dennoch würde sie ihren Beruf um nichts in der Welt tauschen wollen: «Skifahren ist meine Passion. Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich es zu meinem Beruf machen konnte.»