Jedes Bild hat seine eigene Geschichte, die ich gern erzähle und dann höre, was sie bei den Leuten auslöst.

«Meine Fotografie ist keine hochstehende Kunst», sagt er zu seiner Arbeit. «Ich bin eher ein Handwerker. Ich mache Bilder, die den Leuten gefallen und die sie in ihrem Haus oder Büro haben wollen.» Wer nun an Posterbilder als Massenware denkt, liegt falsch: Gian‘s Arbeiten gibt es nur in kleinsten Auflagen. Er druckt auf bestes Papier und verwendet nur schönste Rahmen. «Wenn immer es geht, liefere ich meine Bilder persönlich aus und hänge sie nach den Wünschen der Käufer. Zu sehen, wo meine Bilder hinkommen, macht mir Freude.» Gian‘s Kontakt zu seinen Käufern ist oft herzlich und sehr persönlich. «Jedes Bild hat seine eigene Geschichte, die ich gern erzähle und dann höre, was sie bei den Leuten auslöst.»

«L‘Atelier»

heisst Gian‘s Galerie, die er mitten in der Pandemie in St. Moritz eröffnete. Die Renovation des Lokals erledigte der «Handwerker» gleich selbst; auf den strahlend weissen Wänden der ehemaligen Autowerkstatt kommen die grossformatigen Aufnahmen in ihren wunderbaren Holzrahmen richtig gut zur Geltung. Der Erfolg blieb nicht aus: Gian verbrachte mehr und mehr Zeit im Atelier und verpasste immer wieder Möglichkeiten, Momente in der Landschaft zu fotografieren.

Im Gespräch mit den Kunden habe ich viel über ihre Wünsche und ihre Beziehungen zum Engadin gelernt. Aber ich bin kein Galerist. Ich muss raus in mein Tal und fotografieren.

Die Erfahrung in der Galerie möchte er dennoch nicht missen: «Im Gespräch mit den Kunden habe ich viel über ihre Wünsche und ihre Beziehungen zum Engadin gelernt. Aber ich bin kein Galerist. Ich muss raus in mein Tal und fotografieren.» Gian‘s Lebenspartnerin Laura übernahm und ist seither die Gastgeberin in der Galerie. «Laura ist ein Glück», sagt Gian und strahlt. «Sie versteht mich als Mensch und genauso meine Arbeit. Mit ihr kann ich neue Ideen entwickeln und innert kürzester Zeit ist sie das Gesicht und der Kopf meines Ateliers geworden.»

Neben grossformatigen Landschaften zeigen Gian und Laura in diesem Winter eine Bilderreihe, die sich mit der Tradition der «Plumpa» (romanisch für Kuhglocke) befasst. Sie spielt im Engadiner Brauchtum eine besondere Rolle. Ihr heiserer Klang weckt bei vielen Erinnerungen an die Kindheit; die Plumpa ist ein Stück Heimat. «Meine Arbeit hat immer mit dem Engadin und dem Leben hier zu tun», sagt Gian dazu. Für jede Produktion steigt er gründlich in die Geschichte und Entwicklung seiner Sujets ein und inszeniert sie dann oft in einem unerwarteten Kontext.

Zum Leben im Engadin gehört auch die gute Küche. Vor einem Jahr gab Gian mit seinem Vater Dumeng das Buch «Bap e Figl» (Vater und Sohn) heraus. Es enthält mehr als 150 lokale Rezepte zum Nachkochen, zahlreiche Landschaftsbilder und viele Anekdoten aus vergangener Zeit. Auch hier zeigte sich sein Hang zum Perfektionismus und seine Passion für Qualität: Gedruckt wurde das Buch im benachbarten Poschiavo und gebunden in einen Traditionsbetrieb im Kanton Freiburg. Die höheren Kosten machten das Projekt zum finanziellen Wagnis, das Gian aber bewusst einging: «Bei diesen Handwerksbetrieben kann ich die Qualität einfordern, hinter der ich sicher stehen kann. Hätte ich hier Kompromisse gemacht, hätte das Buch sicher nicht diesen Erfolg gehabt.» Das Wagnis gelang: Die erste Auflage war nach wenigen Wochen weg und in knapp einem Jahr gingen fast 2‘000 Bücher über den Ladentisch.

«Ich hatte viel Unterstützung von lokalen Händlern im ganzen Kanton»,

sagt Gian bescheiden dazu. «Aber ich freue mich natürlich sehr über diesen Erfolg.» Reich gemacht habe ihn das Projekt bisher nicht, meint er lachend, dennoch denkt er bereits über ein weiteres Buch nach. Auch für eine neue Reportage- Reise habe er Ideen, verrät Gian. Sie würde anschliessen an die Portraits von Nomadenvölkern, die er aus Afrika, Indien und Sibirien heimbrachte und im Atelier ausstellte. Reisen ist für Gian eine Abwechslung zum Leben im Bergtal. Aber auswandern wird er wohl nie. «Ich gehöre hierher», sagt er. «Das Engadin ist meine Heimat.»

Das Engadin ist meine Heimat.
Gian Giovanoli
Fotograf - www.giangiovanoli.com

Gian Giovanoli
L'Atelier – Gallaria da fotografias
Via Maistra 33
7500 St. Moritz
www.giangiovanoli.com