Heute würden nicht mehr so viele den Kopf schütteln.

Sie haben sich getäuscht: Vergangenen Winter ist in den Alpen wenig Schnee gefallen. Den Seen im Alpenraum fehlte deshalb im Frühjahr das Schmelzwasser. Weil das warme Halbjahr vielerorts ausserordentlich heiss und trocken war, brach vor den Toren Graubündens eine Trockenheit aus, wie wir sie noch selten erlebt hatten. Der Po, der in Norditalien fast die gesamte Landwirtschaft mit Wasser versorgt, trocknete praktisch aus. Um Wasser für ihre Felder und ihr Vieh zu bekommen, verlangten Bauern, dass man den Pegel des Gardasees und des Langensees absenke. Die Anwohner der Seen fürchteten um die Sommersaison ihres Tourismus und weiter oben in den Bergen wollten die Betreiber der Wasserkraftwerke  im Hinblick auf den Stromverbrauch im Winter ebenfalls kein Wasser abgeben. Der hitzige Diskurs wirkte bis in die Schweiz, denn hierzulande entspringen die Flüsse, die den Po mit Wasser aus den Bergen speisen.

Wasser kennt keine Landesgrenzen. Es berührt uns alle.
Ernst Bromeis

«Die Diskussionen dieses Sommers in Italien sind ein Vorgeschmack darauf, was uns in Zukunft immer wieder erwarten wird», sagt Bromeis dazu. Existenzielle Fragen rund um das Wasser waren lange nur eine Frage in weit entfernten Ländern. Überschwemmungen in Bangladesch oder Dürren in Afrika etwa. «Auch in den Alpen haben wir jetzt eine Wasserkrise, auch wenn hier niemand Durst leiden muss.» Die Probleme des vergangenen Sommers hätten schonungslos aufgezeigt, wie eng das Wasser die Länder, Branchen und Gesellschaftsschichten in ganz Europa verbinde. «Wasser kennt keine Landesgrenzen. Es berührt uns alle.»

Als Wasserbotschafter denkt Ernst Bromeis nicht nur über ökologische Fragen nach. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte eines nachhaltigen Umgangs mit dem Wasser beschäftigen ihn genauso.

«Ich bin kein Träumer. Wasser ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es wurde schon immer wirtschaftlich genutzt und das wird auch immer so sein.»

Der Mensch habe keine Wahl, ob er Wasser nutzen wolle. «Ohne Wasser endet alles Leben.» Nach den 200 Seen in Graubünden durchschwamm Ernst Bromeis 2010 die grössten Seen aller Schweizer Kantone und 2014 dann den Rhein von der Quelle in Graubünden bis zur Mündung in Holland. Mit seinen Expeditionen als Schwimmer erzeugt er die Aufmerksamkeit in den Medien, die er braucht, um für seine Anliegen zu werben. In Schulen, an Kongressen und bei Unternehmen tritt er als gefragter Referent auf, zeigt Bilder und Filme seiner Expeditionen, spielt dazu Eigenkompositionen auf dem Klavier und bringt die Menschen zum Nachdenken. Ernst Bromeis berührt.

Wenn ich mit meiner Tätigkeit dazu beitragen kann, dass Menschen über das Wasser und seine vielfältigen Rollen nachdenken. Wenn ich damit Schritt für Schritt das Verhalten unserer Gesellschaft verändern kann, macht mich das sehr glücklich

«DAS IST DAS GRÖSSTE ALLER KOMPLIMENTE»
lächelt er verlegen. «Wenn ich mit meiner Tätigkeit dazu beitragen kann, dass Menschen über das Wasser und seine vielfältigen Rollen nachdenken. Wenn ich damit Schritt für Schritt das Verhalten unserer Gesellschaft verändern kann, macht mich das sehr glücklich.» Allzu viele Menschen in Europa nähmen Wasser noch als Ressource im Überfluss wahr, sagt er, «aber Wasser ist keine Re-Source, Wasser ist die Source, die Quelle allen Lebens und all unserer Gesellschaften.» Wer Wasser habe, könne sich glücklich schätzen, sagt der Modellathlet. Aber Wasser zu haben, sei auch eine grosse Verantwortung. «Wasser besitzt man nicht, man kann es sich nur ausleihen. Früher oder später muss es in seinen Kreislauf zurück.» Wer in den Alpen Wasser zurückbehalte, müsse auch daran denken, dass es in den Flüssen, auf den Feldern und in den Städten weiter unten vielleicht fehle.

Aber auch die, die heute unter Wassermangel leiden, müssten sich die Fragen stellen: Ob es angesichts der Klimaveränderungen sinnvoll sei, dieselben Pflanzen anzubauen wie ihre Vorfahren. Wie viel Vieh sie künftig halten und wie sie den Wasserverbrauch in ihren Städten verändern sollten. «Die Zukunft ist nicht rosa, aber sie ist auch nicht schwarz», sagt Bromeis hoffnungsvoll. «Der Mensch hat noch immer Lösungen gefunden, um mit seinen Problemen umzugehen. Früher war es die Natur, die ihm die Probleme machte. Heute ist es umgekehrt.» Wenn der Mensch die Notwendigkeit erkenne, werde er Lösungen suchen und sie auch finden. «DIE ZUKUNFT IST BLAU.» Zusammen mit vorwärts denkenden Unternehmen in Graubünden und der Schweiz hat Bromeis den Verein «Graubünden Wasser» gegründet. Mit einer Vielzahl von Projekten will er die Bedeutung des Wassers fassbar machen und weltweit diskutieren. «Graubünden ist die Quelle der Welt», sagt er und wirkt dabei fast wie ein Touristiker. «Wo, wenn nicht hier, sollen die Menschen die Menschen die Bedeutung des Wassers erkennen und darüber nachdenken, wie sie diese wichtigste Quelle des Lebens langfristig nutzen, aber auch schonen und respektieren wollen?» 

«Graubünden ist die Quelle der Welt. Wo, wenn nicht hier, sollen die Menschen die Menschen die Bedeutung des Wassers erkennen und darüber nachdenken, wie sie diese wichtigste Quelle des Lebens langfristig nutzen, aber auch schonen und respektieren wollen?» 
Ernst Bromeis - Gründer von GRAUBÜNDEN WASSER

Ernst Bromeis (54), Wasserbotschafter

Aufgewachsen in Ardez (Unterengadin) studierte Ernst Bromeis Sport und unterrichtete mehrere Jahre. Er liess sich zum Swiss Olympic Spitzensporttrainer ausbilden und betreute Triathleten. 2008 gründete er «Das Blaue Wunder» und ist seither als Wasserbotschafter tätig. Aufsehenerregende Expeditionen als Ultraschwimmer machten ihn international bekannt. 2014 war Ernst der erste Mensch, der den Rhein von der Quelle in den Alpen bis zur Mündung in den Niederlanden durchschwamm.

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